B Konzepte und Inhalte des V-Modell XT Bund
B.2 Inhalte des V-Modell XT Bund
B.2.2 Entwicklung
Das V-Modell ist ein Vorgehensmodell für Systementwicklungsprojekte. Es unterscheidet zwischen einem Gesamtsystem und einem System:
- Das Gesamtsystem im V-Modell entspricht dem Systembegriff der ISO/IEC 12207: Es ist „ein einheitliches Ganzes, das aus einem oder mehreren Prozessen, Hardware, Software, Einrichtungen und Personen besteht, das die Fähigkeit besitzt, vorgegebene Forderungen oder Ziele zu befriedigen.“ (siehe Abbildung 40 rechts).
- Unter einem System wird im V-Modell XT Bund ein einheitliches Ganzes verstanden, das aus Software und der zur Ausführung notwendigen beigestellten Hardware besteht. (Die Hardware-Entwicklung wird vom V-Modell XT Bund im Gegensatz zum V-Modell XT nicht unterstützt.)
Abbildung 40: System und Gesamtsystem in Entwicklung und Betrieb
Aus der Entwicklungssicht reduziert sich das Gesamtsystem auf das zu entwickelnde System, beliebig viele zu entwickelnde Unterstützungssysteme (eigenständige Systeme zur Unterstützung des zu entwickelnden Systems) und beliebig viele zu erstellende Logistische Unterstützungsdokumentationen. Systeme und Unterstützungssysteme bestehen aus Systemelementen, die Logistische Unterstützungsdokumentation besteht aus Logistikelementen. Alle Systemelemente und Logistikelemente sind als Produkte im V-Modell definiert; das Gesamtsystem selbst ist kein Produkt.
Abbildung 41: Strukturelle Produktabhängigkeiten und Produktumfänge der einzelnen Systemelemente
Ein System besteht aus Segmenten, Einheiten, Komponenten und Modulen, die hierarchisch strukturiert werden. Im Kontext jedes Systemelements kann eine Menge von „Begleitprodukten“ existieren, die als Produktumfang des Systemelements bezeichnet werden. Beispielsweise muss sich im Produktumfang jeder SW-Einheit genau eine entsprechende SW-Architektur befinden. Die Definition der Systemstruktur und die Ausgestaltung der dazugehörigen Produktumfänge erfolgen im Rahmen des Systementwurfs und der Systemspezifikation. Ein derart zerlegtes System erleichtert die Schätzung der Aufwände und Kosten für die Erstellung seiner Bestandteile.
Abbildung 42: V-Modell-Entwicklungsprozess im Überblick
Das in der Abbildung 42 dargestellte V-förmige Vorgehen fußt auf vier Prinzipien:
- Spezifikation und Zerlegung: Auf dem absteigenden Ast des „Vs“ wird das Gesamtsystem bis auf die Modulebene dekomponiert und dabei immer feiner spezifiziert. Der Auftraggeber legt in den Anforderungen (Lastenheft) fest, was das System leisten soll. In der Gesamtsystemspezifikation (Pflichtenheft) definiert der Auftragnehmer, wie er die Anforderungen umsetzt. Dazu erstellt er eine Systemarchitektur, Systemspezifikationen und ein Konzept für die Implementierung, Integration und Prüfung des Systems (IIPK System). Im letzten Dekompositionsschritt bestimmt er die SW-Einheiten und die jeweiligen SW-Architekturen, IIPKs SW und SW-Spezifikationen.
- Realisierung und Integration: Auf dem aufsteigenden Ast des „Vs“ werden die System- und Logistikelemente implementiert und/oder beschafft und zum (Gesamt-)System integriert. Auf unterster Ebene werden zunächst die SW-Einheiten realisiert und dann mit den Externen Einheiten zum System integriert. Schließlich werden (auf der Gesamtsystemebene) Lieferungen zusammengestellt und ausgeliefert.
- Verifikation und Validierung: Auf jeder (waagrechten) Abstraktionsstufe finden Prüfschritte zur Verifikation und Validierung statt. Hier wird überprüft, ob die Systemelemente ihrer Spezifikation entsprechen und ob Sie das benötigte Verhalten zeigen. Die Prüfspezifikationen (absteigender Ast) leiten sich aus den Anforderungen, Spezifikationen und Architekturen ab. Die Prüfprotokolle (aufsteigender Ast) beschreiben das Prüfergebnis eines konkreten Prüfobjekts, also eines Systemelements, eines Logistikelements oder einer Lieferung.
- Iterationen und Inkremente: Das „V“ wird in der Regel mehrfach in Iterationen durchlaufen. Die Systemfunktionalität wächst dabei stetig (inkrementelles Vorgehen), bis schließlich alle Anforderungen erfüllt werden. Dabei erlaubt das V-Modell unterschiedliche Reihenfolgen für den „V-Durchlauf“: Während die Inkrementelle Systementwicklung dem Weg des „V“s unmittelbar folgt (I1-I8), durchläuft die Prototypische Entwicklungsstrategie die Entscheidungspunkte in anderer Reihenfolge (P1-P8). Darüber hinaus sind in beiden Strategien Iterationen auf feineren Abstraktionsebenen möglich.